Von Quan Lan nach Hue: Sex im Schlafbus
Nach der sturmbedingten, aber angenehmen Zwangspause auf Quan Lan, fährt endlich am frühen Dienstag wieder ein Speedboat von der Insel. Genauer gesagt: Es fährt eben nicht, sondern es raucht aus dem Motorraum.
Nach einigen Versuchen der Crew, den Motor wieder zum Laufen zu bringen, wird klar: Das wird nichts mehr. Zum Glück liegt nebenan ein weiteres Speedboat, das sich nicht verweigert. Also schnell die Rucksäcke von einem Deck aufs andere gehievt und schon geht’s mit Tempo durch die Bucht nach Cai Rong und mit dem Taxi aufs Festland.
In Cua Ong steigen wir in einen Bus, von dem wir meinen, er bringe uns nach Ha Long Stadt. Eigentlich hätten wir schon am hohen Fahrpreis merken können, das das nicht stimmt. Erst als wir fahren und fahren und Ha Long Stadt längst hätte erreicht sein müssen, bemerken wir unseren Irrtum. Es ist allerdings ein glücklicher, denn es stellt sich heraus, dass die Endstation Hai Phong ist. Wir kommen also ein ganzes Stück weiter als erwartet.
Nach einer Nacht im Hotel gehen wir am Mittwoch Vormittag zum Busbahnhof und erstehen Fahrkarten für den Sleeping Bus nach Hue, der um 15 Uhr starten soll. Trotz der gemischten Gefühle, die die Aussicht auf das anstrengende Nachtbusfahren uns bereitet, sind wir froh, damit ein ganzes Stück Richtung Süden voran zu kommen.
Nach unseren Erfahrungen mit dem Schlafbua in Laos sind wir gespannt, wie sich die vietnamesische Version darstellt. Zuerst stellt sich heraus, dass der Sleeping Bus nicht gerade zu den bevorzugten Fortbewegungsmitteln von Touristen gehört. Denn wie in Laos bleiben wir die einzigen Nicht-Einheimischen.
Es dauert eine ganze Weile, bis der Bus sich in Bewegung setzt. Unter anderem deshalb, weil göttlicher Schutz installiert werden muss: Ein Busbegleiter errichtet eine Art Altar hinter der Frontscheibe einschließlich einem Strauß Kunstblumen und Räucherstäbchen.
Diese Version des Sleeping Busses wartet mit drei Reihen schmaler Doppelstockliegen auf. Helga kriecht unten rein, Dieter kraxelt in die obere Etage. Das Gepäck sämtlicher Reisender wird in der Mitte des Busses gleich neben uns aufgestapelt, so dass Helga bald fast zugebaut ist. Dieter fürchtet um die technischen Geräte und die “Akustika” (man erinnere sich: meine in Hanoi gekaufte Billiggitarre), auf der dicke Taschen lasten.
Wir fahren stundenlang durch eine ebene, zersiedelte Landschaft. Wir können kaum ausmachen, wo eine Stadt endet und eine neue anfängt. Eine schier endlose Folge von Geschäften und dem wuseligen vietnamesischen Straßenleben. Mir fällt auf, dass in Vietnam die alten kaum von den neu gebauten Häusern zu unterscheiden sind. Denn auch die neuen sind im alten Stil gestaltet. Ein Merkmal sind die überall verwendeten Balustraden, die den Häusern einen etwas barocken Ausdruck verleihen.
Nach fünf Stunden Fährt ein erster längerer Halt im Irgendwo. Pinkelpause und Abendessen, das in einem Saal serviert wird schlicht wie ein Bahnhofswartesaal. Das Essen ist im Fahrtpreis enthalten. Umso mehr sind wir überrascht, welch reichhaltiges und leckeres Mahl auf den Tisch kommt: Fisch, Fleisch, diverse Gemüse, Suppe, Reis, Eierspeisen und was weiß ich nicht alles. Die am Tisch sitzenden Vietnamesen sind über meine Anstrengungen im Umgang mit Stäbchen belustigt und sorgen dafür, dass ich Löffel und Gabel bekomme. Eine ältere Frau hält nicht inne, bis wir Weißgesichter auch von allem gekostet haben. Vietnamesen sind – zu Recht – stolz auf ihre Küche. Was hätte man wohl in Deutschland an einer Raststätte bekommen?
Tagsüber sind stundenlang Musikvideos gelaufen, gegen die Roy Black Rock ‘n Roll war. Jetzt zu später Stunde werden Spielfilme eingelegt. Darunter einer, in dem eine junge, attraktive Frau reihenweise Männer erschießt, warum auch immer. Neben Harmlosigkeiten wie diesen enthält der Streifen allerdings auch explizit Erotisches. Ich sage nur Cunnilingus und Pistolingus … Das verstört mich, denn ich ging bisher davon aus, dass für Vietnamesen schon ein Bikini am Strand zuviel bzw. zuwenig ist. Und jetzt sowas in einem öffentlichen Bus, wo wildfremde Männlein und Weiblein Seit’ an Seit’ liegen??
Mit diesen Gedanken wiegen mich Motor und Schlaglöcher langsam in den Schlaf. Bis zur Pinkelpause um zwei am frühen Morgen. Die ist wesentlich schlichter gestaltet als die erste. Auf freiem Feld treten die Männer nach rechts aus, und die Frauen hocken sich links hin.
Kurz darauf haben wir Hue erreicht. Genauer gesagt werden wir an einer Kreuzung am Stadtrand ausgesetzt, der Bus fährt weiter nach Da Nang. Im Nieselregen schleppen wir die Rucksäcke Richtung Stadt. Die alte Kaiserstadt im Regen und wir hundemüde. Ein Bett im Hotel ist heute die größte Attraktion.
…. Schön, den Sleeping Bus haben wir auch kennen gelernt.
Man erlebt jeden Tag etwas neues, toll. :-)
Weiterhin Viel Spaß und solche Berichte.
Das nenne ich eine Headline! :-)
Jeden Tag freue ich mich auf und über Deine pointierten interessanten Schilderungen.
Alles Gute wünscht die bodenständige Ostwestfälin.
Hallo Ihr Zwei,
schön von Euch zu hören. Wir wünschen Euch noch eine tolle Reise und viel, viel Spass.
Wenn Ihr dann mal wieder Zuhause seit, meldet Euch doch mal. Wie werden Eure Berichte weiter verfolgen. Bleibt gesund und bis dann.
Liebe Grüße aus dem kalten Bremen
Gudrun & Stefan