Paracas, Peru: Pelikane und Pinguine

Also an die Küste. Wir wählen die Paracas-Halbinsel als Ziel. Dort gibt es einen Nationalpark, der die Küstenwüste und die maritime Tierwelt der vorgelagerten Islas Ballestas schützt. Wir hoffen auf ein Wiedersehen mit Pinguinen.

Nach Pisco, dem Tor zur Paracas-Halbinsel fährt der Bus rund 18 Stunden. Das ist uns entschieden zu lang, um die Strecke in einem Rutsch durchzufahren. Wir entschließen uns deshalb, im Städtchen abancay Zwischenstation zu machen und dann am nächsten Tag weiterzufahren. Nach fünf Stunden Fahrt durch die Andenlandschaft, zuletzt vorbei am Massiv des Nevado Impay (5.225 Meter), erreichen wir am Freitag (27. Juni) gegen Mittag die Provinzhauptstadt. Sie liegt knapp 2.400 Meter über dem Meer, hat deshalb ein angenehm warmes Klima.

Am Busbahnhof stellt sich heraus, dass wir nicht frühmorgens nach Pisco weiterfahren können, sondern erst am frühen Nachmittag. Das heißt, wir werden mitten in der Nacht in Pisco ankommen. Es wäre also vielleicht schlauer gewesen, doch im Bus sitzen zu bleiben und die Strecke durchzufahren. Hätten wir uns doch bloß in Cusco schon genauer erkundigt! Das Hotel, das wir uns zunächst ausgesucht haben, gefällt uns nicht. Das sehr viel bessere gegenüber, ist ausgebucht. Wir landen schließlich in einem neuem Appartement-Haus, wo wir eine Wohnung mit zwei Schlafzimmern und Küche beziehen. Etwas übertrieben für eine Nacht, aber was soll’s. Wir sind eben keine perfekten Logistiker.

Ein Gang durch die 50.000-Einwohner-Stadt am Nachmittag zeigt: In touristischem Sinne hat Abancay nichts zu bieten. Dass der Ort schon in vorkolonialer Ort existierte und unter den Spaniern ein bedeutendes Handelszentrum war, ist kaum noch zu spüren. Eigentlich ganz gut, mal in einer “ganz normalen” Stadt zu sein. Wir verbringen den Rest des Nachmittags dennoch im Appartement. Die WiFi-Verbindung dort ist ausnahmsweise so schnell, dass Dieter endlich mal eine Menge Fotos hochladen kann.

Zum ersten Mal Ceviche

Bevor wir am nächsten Tag weiterfahren, haben wir endlich mal Gelegenheit, Perus Nationalgericht zu probieren: Ceviche. Das sind Fischstücke, die in Limettensaft mariniert und dadurch weich und zart werden. Dazu gibt es rote Zwiebeln, Paprikastücken, Süßkartoffel und Mais, gewürzt mit Knoblauch und Koreanderblättern. Obwohl wir das Gericht in einer Bergregion essen und man annehmen könnte, es munde an der Küste am besten, haben wir danach nie wieder ein so gutes Ceviche gegessen. In einem ganz schlichten Lokal übrigens.

Um eins am Nachmittag fährt unser Bus. Ankommen werden wir mitten in der Nacht. Auch nicht grade zu unserer Freude trägt bei, dass der Bus nicht nach Pisco hineinfährt, sondern uns an einer Kreuzung einige Kilometer außerhalb rauslassen wird. Hoffentlich stehen dort auch um zwei Uhr nachts Taxis. Die Kreuzung sollte in der Dunkelheit gemieden werden, warnt der Reiseführer. Wir haben Glück: Als wir nach einer schier endlosen Busfahrt um zwei Uhr nachts an der Kreuzung bei Pisco ankommen, steht schon ein Taxi bereit, um uns in die Stadt zu bringen. Kein Problem auch, anschließend in unser gebuchtes Hotel zu kommen, das “Tambo Colorado”. Ein junges Mädchen macht uns auf.

Auf der Fahrt nach Pisco haben wir übrigens ein “Highlight” ausgelassen: die Linien von Nasca. Das sind gigantische Figuren von Menschen, Tieren und Pflanzen, die in den Sand der Küstenwüste geritzt sind. Die Wüstenzeichnungen wurden vermutlich schon vor 2.000 Jahren angelegt, aber erst im 20. Jahrhundert erkannt und erforscht. Um die Figuren im Sand richtig sehen zu können, muss man sie mit dem Flugzeug überfliegen. Das haben wir uns erspart.

Spuren des Erdbebens

Als wir am Sonntag durch Pisco gehen, sehen wir an vielen Stellen noch die Folgen des Erdbebens von 2007. Damals wurde der größte Teil der Stadt zerstört, rund 500 Menschen kamen ums Leben. Heute ist der Wiederaufbau noch immer nicht abgeschlossen, wie die zahlreichen Baulücken und halb fertigen Neubauten zeigen. Die alte Kirche an der Plaza des Armas sieht von weitem unversehrt aus. Als wir direkt davor stehen, erkennen wir die breiten Risse im Mauerwerk. Und beim Blick durch die zerbrochenen Fenster, sehen wir die herabgefallenen Gebäudeteile auf dem Boden liegen. Es scheint nicht so, als wolle man die Kirche wieder herstellen, denn gleich daneben steht inzwischen ein moderner Kirchenbau. Der Bau aus Ziegelstein ist deutlich größer als die alte Kirche und gleicht ineinander geschobenen Würfeln.

Ansonsten zeigt sich Pisco als geschäftige Stadt. Es ist gerade Sonntag, einer der Haupteinkaufstage. Die Geschäfte in der Fußgängerzone haben bis 22 Uhr geöffnet, und noch am Abend herrscht Trubel wie in Hamburgs Mönkebergstraße am Samstagnachmittag. Das Knattern der vielen dreirädrigen Mopedtaxis, die hier den Nahverkehr abwickeln, trägt auch nicht grade zur Sonntagsruhe bei. Geschlossen haben allerdings die Tourbüros, wo wir Ausflüge auf die Paracas-Halbinsel und die Islas Ballestas hätten buchen können. Überhaupt scheint sich nach Pisco kaum ein Tourist zu verirren. Dabei ist doch Perus Nationalgetränk, der “Pisco Sour” nach dem Ort benannt. Hergestellt wird der Traubenschnaps für das Mixgetränk allerdings hauptsächlich in Ica, das etwa 80 Kilometer entfernt liegt.

Wir beschließen, am Montag 20 Kilometer weiter nach El Chaco, meist einfach Paracas genannt, zu fahren und von dort aus unsere Touren zu machen. Am Abend gefährdet Dieter durch einen Meeresfrüchte-Avocado-Salat, der mit Mayonnaise überzogen ist, ernsthaft seine Gesundheit.

Ein Collectivo (Sammeltaxi) bringt uns am Montag nach Paracas, vorbei an Fischmehlfabriken und einer Raffinerie. Wir kommen bei “Icthus Paracas Backpackers” unter. Wie es der Zufall will, sind im Hostel gerade ein paar Leute im Aufbruch zu einer Tour auf die Paracas-Halbinsel. Trotz der leichten Übelkeit, die Dieter seit dem Salat vom Vorabend befallen hat, ergreifen wir die Gelegenheit und schließen uns an. Die Paracas-Halbinsel ist Teil eines Naturschutzgebietes, das auch die vorgelagerten Inseln und das Meer dazwischen umfasst. Flora und Fauna gibt es auf der Halbinsel selbst so gut wie keine. Das Gebiet ist Wüste, wie im übrigen der größte Teil der Küste Perus. Meist herrscht im Winter auch dichter Hochnebel, so dass ein Besuch der Küste meist eine ziemlich trübe Angelegenheit ist.

Paracas-Halbinsel

Wir erwischen einen Ausnahmetag. Denn kurz nach Beginn der Fahrt dringt die Sonne durch und über dem Gelb-Braun des Sandes spannt sich das Himmelsblau. Von beidem hebt sich in der Ferne das tiefe Blau des Meeres ab. Wir fahren mit dem Bus zunächst zum Besucherzentrum des Nationalreservats. Dort erfahren wir mehr über das Ökosystem dieses Küstenabschnitts. Der kühle Humboldtstrom führt hier eine große Menge Plankton heran, was dem Gebiet einen großen Fischreichtum beschert. Dieser wiederum zieht zahlreiche Vögel an und andere Tiere, die sich von Fischen ernähren wie Seelöwen und Pinguine.

An der Steilküste, zu der wir anschließend fahren, sehen wir die ersten Vögel. Guanotölpel hängen an einem Felsen im Wasser, der weiß überzogen ist. Der weiße Überzug ist der Vogelkot. Die Paracas-Halbinsel und besonders die vorgelagerten Inseln waren lange Zeit ein ergiebiges Abbaugebiet für Guano, das als Dünger verwendet wird. Der Abbau ist heute aus Vogelschutzgründen stark reduziert. Führer José zeigt uns, warum der Sand der Halbinsel so hart ist und nicht verweht. Die feuchte Luft vom Meer bringt nämlich Salz mit, die sich auf dem Sand absetzt und sich allmählich mit ihm verbackt.

Die Felsformation “Le Cathedral”, zu der wir abschließend kommen, ist beim Erdbeben 2007 größtenteils zusammengestürzt. Jetzt geht es noch nach Lagunellas, einer kleinen Fischersiedlung, die idyllisch in einer Bucht liegt und fast nur aus Fischlokalen besteht. Dort lotst uns unser Reiseführer in einen der Touristen-Abfütterungsbetriebe, wo wir ein Nullkommaeins-Sterne-Menü genießen. Vor der Rückfahrt bietet sich noch Gelegenheit, aus der Nähe die trägen Pelikane zue fotografieren, die vor den Lokalen auf nicht aufgegessene Fische warten.

So richtig hat sich der Ausflug auf die Halbinsel nicht gelohnt, finde ich. Sieht man mal vom informativen Besucherzentrum ab. Morgen, so hoffen wir, werden wir der Tierwelt auf den Ballestas-Inseln nahe kommen.

Der Ort El Chaco/Paracas, so stellen wir nach unserer Rückkehr fest, ist im Gegensatz zu Pisco ganz auf Touristen eingestellt. Fast jedes Haus ein Hotel, ein Restaurant, ein Tourbüro oder ein Souvenirladen. Ganze Busladungen von Besuchern werden hier ausgekippt. Wir werden morgen bei unserer Bootstour zu den Inseln nicht alleine sein.

Zuvor erleben wir eine unruhige Nacht im Backpacker. Es sind nicht andere Gäste, sondern ein Nachbar, der fast die ganze Nacht in größter Lautstärke schrecklichste Musik abspielt und damit den ganzen Ort beschallt. Eine Geburtstagsfeier, erfahren wir am anderen Morgen. In Deutschland käme bei solchen Geburtstagsfeiern irgendwann die Polizei, hier zuckt man mit den Schultern.

Islas Ballestas

Nach der schlaflosen Nacht schleppen wir uns müde zum Hafen. Die Boote zu den Ballestas-Inseln fahren schon um acht Uhr morgens ab, da nachmittags das Meer meist zu unruhig ist. Am Pier herrscht Massenbetrieb. Wenn nicht ein Führer sagen würde, wo es langgeht, würde man sich in dem Touristen-Tohuwabohu verlieren. Im Minutentakt braust eines der Boote ab, an Bord Touristen in orangefarbenen Rettungswesten. Irgendwann nimmt auch unser Boot Kurs auf die Vogelinseln auf. Gischt spritz herein, denn das Meer ist unruhig und die Boote schnell. Trotz der Regenjacken, die wir anhaben, frösteln wir schon bald. Das Wetter ist nach dem sonnigen Tag gestern wieder normal, nämlich trüb wie bei ums im November.

Erster Stop ist am “El Candelabro”. Das ist ein rund 200 Meter hohes Scharrbild im Sand unweit der Küste. Es sieht einem Kerzenhalter ähnlich, daher der Name. Niemand weiß, wie alt die Figur ist und wer sie in den Sand geritzt hat. Mit der Paracas-Kultur hat “El Candelabro” wohl nichts zu tun. Diese ist 2.000 bis 3.000 Jahre alt und für ihre spektakulären Webarbeiten bekannt, die man als Beigaben in Gräbern auf der Paracas-Halbinsel gefunden hat. Vielleicht ist “El Candelabro” ja erst entstanden, nachdem man gemerkt hat, dass die Linien von Nasca viele Touristen anlocken. So was ähnliches wollte man dann auch haben …

Nach knapp einer Dreiviertelstunde Bootsfahrt kommen die Islas Ballestas in Sicht, steinige Eilande, die das Meer zerklüftet hat. Als erstes richten sich die Linsen der Fotoapparate auf ein paar Humboldt-Pinguine, die über die Felsen watscheln. Diese kleingewachsene Pinguinart kommt nur an den Küsten Perus und Chiles vor. Ihr Bestand gilt als gefährdet. Zahlreich sind die anderen Seevögel, die der Fischreichtum dieser Meeresregion anlockt. Dicht gedrängt hocken Guanotölpel auf den Felsen und sprenkeln mit ihrem Kot die Klippen weiß. Incaseeschwalben bauen in den Nischen der Felsen ihre Nester und Möwen kreisen über den Ausflugsschiffen. Kormorane finden reichlich Nahrung, und gelegentlich verschlägt es auch einen Kondor aus den Anden in dieses Futterparadies.

Kondore sehen wir nicht und auch keine Delphine, die man mit Glück hier beobachten kann. Dafür reichlich Pelikane, die hier ein grau-braunes Gefieder haben und deren mächtigen Schnabel man wohl nicht zu nahe kommen sollte. Am besten kommen natürlich die Seelöwen an, die unbeholfen über die Felsplatten schwabbeln, nach dem Sprung ins Wasser aber mit Eleganz punkten. Gut, dass sie und die anderen Tiere die Ballestas-Inseln inzwischen für sich alleine haben. Wir sehen noch alte Verladerampen, die früher wohl zum Abtransport des Guanos benutzt wurden.

Nach zwei Stunden kehren wir von unserem Ausflug auf die Ballestas zurück, die auch flapsig “Galapagos für Arme” genannt werden. Der Rest des Tages gehört dem Relaxen. Nachmittags gibt’s ein Fußballspiel im Fernsehen, das sich Helga gerne ansehen will. Irgendwo muss es ein Turnier geben, das von der Firma Coca-Cola unterstützt wird. Dieter interessiert das nicht.

Die nächste Nacht im Backpacker wird wie die vorige. Der Nachbar feiert die Geburtstagsparty Version zwei. Die Hoffnung, dass sich im neuen Lebensjahr wenigstens sein Musikgeschmack, wenn schon nicht sein Gefühl für Rücksichtnahme gebessert hat, erfüllt sich nicht.

Die restliche Zeit in Peru ist zu kurz, um noch von Highlight zu Highlight zu eilen. Wir wollen statt dessen ein bisschen Urlaub vom Reisen machen. In schöner Landschaft und bei warmem Wetter. Also weg von hier!

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