Lima, Peru: Trübe Stadt

Ach, Lima. Warum kleidest Du dich im Winter immer in ein graues Kleid? Du bist doch auch unter blauem Himmel nicht die Allerattraktivste!

Ehrlich gesagt: So richtig Lust auf Lima haben wir nicht. Wir haben ja schon eine Stippvisite hinter uns, denn auf der Fahrt nach La Merced haben wir in Perus Hauptstadt übernachtet. An Lima führt allerdings kein Weg vorbei, denn wir werden von der Stadt nach Fox de Iguazu fliegen. Das ist die Stadt auf der brasilianischen Seite der berühmten Wasserfälle. Auf dem Landweg schaffen wir es längst nicht mehr dorthin.

Nur ein Busunternehmen fährt tagsüber von Tingo Maria nach Lima. Also besorgen wir uns ein Ticket dort. Der Bus von “Bahia Continental” braucht rund 12 Stunden für die 543 Kilometer. Wenn alles gut geht, werden wir also am Abend gegen 9 Uhr am Ziel sein. Und so kommt es auch.

Unser Quartier liegt diesmal im Stadtteil Miraflores und heißt “Inka Frog” – womit wir beim Namen dem Muster “Inka plus irgenwas Englisches” treu bleiben. Miraflores liegt acht Kilometer von der Altstadt Limas entfernt und war bis ins 19. Jahrhundert eine eigenständige Stadt an der Pazifikküste. Heute ist der Distrikt das wirtschaftliche Zentrum der Stadt und einer der beliebtesten Stadtteile für Touristen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Miraflores als besonders sicher gilt.

Stadtrundgang

Mach einer ruhigen Nacht im “Inka Frog” halten wir am Mittwoch (16. Juli) Ausschau nach einerm Stadtrundgang. “Free Walking Tour Peru” heißt diesmal das Unternehmen, das gegen “Spende” der durch die Innenstadt führt. Treffpunkt ist am “Óvalo de Miraflores”, einem Kreisverkehr und inoffiziellen Zentrum des Stadtteils. Leider haben sich sehr viele Leute entschlossen, mit uns die Tour for Tipps zu unternehmen. So führt der junge Mann (Namen habe ich vergessen) mit der grünen Weste eine allzu große Gruppe Richtung Busstation, wo wir Richtung Altstadt abfahren. In Miraflores selbst gibt es keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten.

Auf der Hauptverbindungsachse zur Altstadt fährt der Schnellbus “Metropolitano” zum Glück auf einer eigenen Spur. Daneben ist eine 2012 in Betrieb genommene Hochbahn, die aber gerade die innenstadtnahen Stadtteile nicht anfährt, das einzige Massentransportmittel. Die mangelnde Verkehrsinfrastruktur ist eines der Probleme der Stadt, die allzu schnell auf rund zehn Millionen Einwohner angewachsen ist und noch immer viele Menschen aus den armen ländlichen Regionen anzieht. Wir müssen ein paar volle Busse ohne uns fahren lassen bis wir uns schließlich in einen zwängen können.

Erstes Ziel ist – wenig überraschend – die “Plaza Mayor”, wo der Regierungspalast, die Kathedrale und das Rathaus stehen. Am Regierungspalast findet grade die Wachablösung statt. ein Schauspiel mit den Reitern des Husarenregiments aus Junín, das täglich viele Touristen anlockt und am Wochenende besonders aufwändig zelebriert wird. Der Amtssitz des peruanischen Präsidenten sieht aus wie ein altes europäisches Schloss, wurde aber erst 1938 fertiggestellt. Ebenfalls älter als er ist wirkt der Bau an der Westseite der Plaza. Das ockerfarbene Rathaus der Stadt wurde 1944 eingeweiht. Älter ist lediglich die Kathedrale an der Ostseite des Platzes. Die erste Bauversion wurde 1746 durch ein Erdbeben zerstört. Die heutige Kathedrale ist ein Stilmischung von Barock bis Klassizismus. Ich muss gestehen, dass ich diese Angaben aus dem Reiseführer bezogen habe. Denn unser leibhaftiger Reiseführer ist schlecht zu verstehen. Er rattert seinen Vortrag in einem amerikanisch geprägten Englisch herunter, und die Größe der Gruppe trägt zusätzlich dazu bei, dass ich immer nur Bruchstücke verstehe.

Kirche San Francisco

Nicht weit vom Hauptplatz liegt der Bahnhof Desamparados. Hier fährt allerdings nur noch gelegentlich der Touristenzug nach Huancayo ab. Ansonsten verbirgt sich hinter der klassizistischen Fassade die “Casa de la Literatura Peruana”, also das Haus der Literatur. Dann erreichen wir eine der Hauptsehenswürdigkeiten Limas, die Kirche San Francisco. Sie ist nun wirklich alt. Der ursprüngliche Bau stammt aus dem Jahr 1546, wurde aber hundert Jahre später durch ein Erdbeben schwer beschädigt. Die danach wieder aufgebaute Kirche hat bis heute allen Erschütterungen widerstanden und beherbergt auch eine Pinakothek mit Werken von Rubens sowie viele alte Bücher. Nebenan der Konvent, dessen Katakomben erst 1951 entdeckt wurden. Sie dienten der Stadt bis Anfang des 19. Jahrhundert als Friedhof. Nekrophile können hier die Knochen von rund 70.000 Verstorbenen besichtigen.

Etwas Besonderes sind in Lima die alten, hölzernen Balkone, die viele Häuser aus der Kolonialzeit zieren und oft so lang sind, dass sie einen Großteil der Fassade einnehmen. Unser Guide führt uns noch zu diesem und jenem historischen Gebäude, unter denen der “Palacio Torre Tagle” mit seiner Barockfassade besonders herausragt. Ich merke allerdings, dass meine Aufmerksamsbereitschaft von Mal zu Mal nachlässt. Unsere Tour endet an einer Ausgrabungsstätte, wo man Überreste alter Bebauung entdeckt hat. Offenbar wurden nach den häufigen Erdbeben nicht richtig aufgeräumt, sondern die neuen Häuser einfach auf den Resten der alten erbaut.

War die Tour dazu angetan, uns von Lima zu begeistern? Eher nicht. Schön an der Stadt finde ich, dass sich auch im Zentrum nach wie vor viele kleine Läden halten und auch einfache Esslokale. McDonalds, Starbucks und Filialen bekannter Modeletten haben sich inzwischen zwar auch eingeschmuggelt, aber sie dominieren das Stadtbild nicht. Die Menschen gehen in der Altstadt und in Miraflores modisch gekleidet durch die Straßen. Elendsgestalten und Bettler sehen wir kaum, allerdings viele, die auf der Straße Süßigkeiten oder Obst verkaufen oder sich als Schuhputzer durchschlagen. Glaubt man dem Reiseführer, so wächst am Stadtrand der Elendsgürtel aus Wellblechhütten, die oft weder an die Kanalisation noch ans Stromnetz angeschlossen sind. Diese Teile der Stadt bekommen wir als Touristen nicht zu Gesicht, und es ist auch gefährlich, dorthin zu gehen.

Charango statt Gitarre

Besonders aufpassen sollen wir auch in der Gegend um die “Plaza 2 de Mayo”, rät man uns. Dieter will aber umbedingt dorthin, denn hier sollen sich die Geschäfte für Musikinstrumente konzentrieren. Und so ist es auch: An einem etwa 100 Meter langen Teilstück der “Avenida Nicolás de Piérola” liegen bestimmt um die 30 Musikgeschäfte Tür an Tür. Dieter ist hier ausnahmsweise nicht auf die Gitarren aus, die zu Tausenden an den Wänden hängen. Sondern Dieter will eine Charango. Es ist mir wichtig, das traditionelle südamerikanische Saiteninstrument in einem richtigen Musikgeschäft zu kaufen und nicht in einem der Souvenirgeschäfte, wo man sie meist auch bekommt. In einem Musikladen scheint mir die Chance größer, ein Instrument zu bekommen, das sich ernsthaft spielen lässt. Richtig Ahnung, was eine gute Charango ausmacht, habe ich natürlich nicht. So klimpere ich auf etlichen Instrumenten in verschiedenen Geschäften herum und kann mich lange nicht entscheiden. Schließlich kehre ich zum ersten Instrument zurück, das ich ausprobiert habe. 400 Sol (gut 100 Euro) muss ich hinblättern, um das gute Stück zu erstehen. Seitdem bin ich im Besitz einer Charango, hergestellt von einer namhaften Firma in Bolivien. Ich hoffe, dass das Teil zu Hause nicht verstaubt. Und keine Angst: Ich habe nicht vor, damit Gesänge aus den Anden zu begleiten. Mal sehen, ob auch “Smoke on the Water” darauf geht. Nein, auch das war ein Scherz. Meine kleine Ibanez-Gitarre, die ich im neuseeländischen Napier gekauft habe, verschenke an die Küchenhilfe unseres Hotels. Sie hat eine achtjährige Tochter, die in.der Schule Gitarre lernen kann und freut sich unheimlich über die unverhoffte Gabe. Und ich bin froh über meine gute Tat.

Den zweiten Tag in Lima verbringen wir ohne große Aktivitäten in Miraflores. Das Wetter ist so trüb wie am Tag zuvor und trägt sicherlich dazu bei, dass Die zweitgrößte Wüstenstadt der Welt nach Kairo bei vielen Touristen nicht so gut ankommt wie andere Städte Südamerikas. Helga geht noch über den “Mercado Indio”, wo zahlreiche Stände mit Kunsthandwerk darauf warten, Mitbrinsel an Touristen zu verkaufen. Sie kehrt zu Dieters Erleichterung fast unbepackt zurück.

Am Freitag (18. Juli) heben wir zu den Iguazú-Fällen, die neuerdings zu den Weltwundern gezählt werden. Die Maschine landet auf dem Flughafen von Foz de Iguazu auf der brasilianischen Seite des Naturwunders.

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Ein Kommentar zu “Lima, Peru: Trübe Stadt”

  1. Peter Schweer sagt:

    Deine Haltung beim Charango-Testen sieht doch schon sehr professionell aus! Bin gespannt auf dein erstes Konzert hier in good ol’ Hamburg. LG

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