Cusco, Peru: Basislager
Cusco ist für uns Ausgangspunkt für den Besuch von Machu Picchu und des Manu Nationalparks. Doch auch die Stadt selbst ist eine Sehenswürdigkeit.
Doch zunächst müssen wir über die Grenze. Die verläuft nur wenige Kilometer hinter Copacabana. Wieder müssen wir die Grenzstationen zu Fuß passieren, und wieder halten die Formalitäten in Grenzen. Das Gepäck wird nicht kontrolliert. Vorbei an zahlreichen Dörfern, deren Bewohner Getreide anbauen, fährt der Bus weiter nach Puno, der größten Stadt auf der peruanischen Seite des Titicacsees. Hier sehen wir zum ersten Mal Fahrzeuge wieder, die wir von Südostasien kennen: TucTucs oder wie die zu Kleintaxis ausgebauten Motorräder hier auch genannt werden. Komisch, dass es sie in Peru gibt, in Bolivien dagegen nicht.
In Puno müssen wir in einen anderen Bus umsteigen. Noch sieben Stunden Fahrzeit bis Cusco haben wir vor uns. Kurz nach Puno sehen wir durchs Busfenster einen riesigen Rindermarkt. Ihm streben Bauern zu, die oft nur zwei, drei Tiere anzubieten haben. Wir lassen die Hochebene Altoplano hinter uns und fahren fortan durch enge Täler, die von teils schneebedeckten Bergriesen umschlossen werden. Weizenfelder und Kartoffeläcker säumen den Weg, die Häuser in den Dörfern sind häufig noch mit Lehmziegeln erbaut.
Für Kinder
Am frühen Abend erreichen wir Cusco. Unser “Basislager” für die nächsten Tage ist das Hotel “Ninos II”. Die Zimmer der Herberge sind ungewöhnlich geräumig. Ein riesiges Gemälde künstlerisch zweifelhafter, aber charmanter Qualität ziert jedes von ihnen, und die Holzbalken, die das alte Haus zusammenhalten, laufen mittendurch. Wir zahlen für unser Zimmer etwas mehr als gewohnt. Das tun wir aber gern, denn die Überschüsse aus dem Hotelbetrieb fließen in ein Projekt für Kinder armer Familien. Wenn wir im Innenhof sitzen, gehen Jungs und Mädchen in Schulkleidung an uns vorbei in den benachbarten Gebäudeteil. Dort gibt es Schulräume, eine Turnhalle und eine Mensa, wo die Kleinen den ganzen Tag betreut und verköstigt werden. Das Projekt hat 1996 die Holländerin Johanna van den Berg gegründet. Inzwischen profitieren rund 600 Kinder von dem Geld, das drei Ninos-Hotels abwerfen.
Cusco, 350.000 Einwohner, 3.400 Meter hoch gelegen, ist eine Gründung der Incas. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt unter dem Inca Pachacútec Yupanqui zum kulturellen umd wirtschaftlichen Zentrum des Inca-Reiches. Die Spanier unter Pizarro eroberten 1532 die Stadt und zerstörten die Inca-Bauten größtenteils. Die Steine wurden für den Bau der mächtigen Kirchen der Kolonialherren benutzt. Nach der Gründung von Lima sank Cuscos Bedeutung stark, die Stadt wurde mehrfach durch Erdbeben beschädigt, zuletzt 1950. Die Entdeckung Machu Picchus 1911 brachte der Stadt einen erneuten Aufschwung. Seit 1983 ist die Stadt in der Liste des Weltkulturerbes. Heute ist sie das größte Touristenzentrum Perus.
Touristenrummel
Und touristisch geht es in der Tat zu. Rund um den zentralen Platz, die Plaza des Armas, gibt es jede Menge Touranbieter, Restaurants und Souvenierläden. Wir können kaum 10 Meter gehen, ohne dass uns jemand anspricht, der Silberschmuck, folkloristische Gemälde oder kleine Lamafiguren zum Anstecken verkaufen will. Einem etwa 10- bis 12-jährigen Jungen nehme ich zwei davon ab. Er hat mir zuvor versucht, eine Sonnenbrille (Ich: “Habe schon eine”. Er: “Sie brauchen zwei!”) anzudrehen, alles in gewandtem Englisch. Nachmittags gehe er zur Schule, behauptet er. Indigenas haben sich in Schale geworfen und halten ein niedliches, junges Lama unterm Arm. Sie wollen nur eins: fotografiert werden. Gegen Geld natürlich.
Zudem kommt, dass in Cusco grade Feierlichkeiten im Gange sind, die tausende auf die Straßen treiben. Zunächst sind sie wohl religiöser Natur, jedenfalls werden Figuren aller möglichen Heiligen durch die Straßen getragen. Die folgenden Tage geht es um das Stadtjubiläum. Auch dazu gibt es Umzüge, die denen zu Karneval im Rheinland ähneln. Religiöser Rummel und weltliches Remmidemmi gleichen sich. Trotz alledem können wir Cusco mehr genießen als die großen Städte zuvor. Das liegt vor allem daran, dass der Verkehr nicht so überwältigend ist. Das überrascht uns, das freut uns. Nur wenige Straßen abseits des touristischen Zentrums verläuft das Leben auch in aller Alltäglichkeit. Die Leute kaufen in einem der unzähligen Miniläden ein, die mehr Süßigkeiten als Obst anbieten. In manchen Gassen konzentrieren sich bestimmte Handwerke. Gleich um die Ecke unseres Hotels zum Beispiel sitzen zahlreiche Schneider hinter alten Nähmaschinen. Und in den Internetshops spielen Jugendliche Ballerspiele.
Besonders entspannt können wir im Viertel San Blas bummeln, das sich nahe der Plaza des Armas den Hang hochzieht. In den steilen, verwinkelten Gassen, die meist gepflastert sind, haben sich Künstler und solche, die sich dafür halten, niedergelassen und breiten ihre Arbeiten nicht selten auf der Straße aus. Nicht weit davon entfernt blicken wir wir vom Vorplatz der Kirche San Cristobal über die Stadt.
Zwei Kirchen
Den Hauptplatz, an dem schon die Incas Sonnwendfeiern abhielten und die Spanier Hinrichtungen, säumen gleich zwei große Kirchen, was sehr ungewöhnlich ist für Südamerika. An der Nordseite erheben sich die mächtigen Glockentürme der Kathedrale. In deren linkem Turm lärmt die größte Glocke Südamerikas. An der Ostseite macht die nicht minder eindrucksvolle La Compania de Jesus, eine Kirche der Jesuiten, der Kathedrale Konkurrenz. Alle Kirchen in Cusco kosten Eintritt.
Wir schauen uns deshalb nur die Kathedrale von innen an, wofür schon 25 Soles (etwa 6,50 Euro) fällig werden. 1559 begonnen, hat man fast hundert Jahre an dem Kirchenbau gearbeitet, der auf den Resten einer Inca-Festung steht. Herausgekommen ist eine der größten Kirchen Südamerikas, die neben der Hauptkirche mit elf Seitenkapellen und acht Altären auch zwei Seitenkirchen umfasst. Drin sind jede Menge Jesus-, Maria und andere Heiligenfiguren zu sehen. Dazu rund 350 Gemälde einheimischer und ausländischer Künstler, darunter von Rubens und Raffael. Die einheimischen Künstler waren oft Indigenas und Mestizen, die sich europäische Malstile aneigneten, ihre Motive aber aus auch aus der indigenen Mythologie und der Lebenswelt der Anden nahmen. Abbildungen sämtlicher Bischöfe Cuscos hängen in der Sakristei. Prunkstück ist ein riesiger vergoldeter Barockaltar, den man schön finden kann oder als eine Orgie in Kitsch. Beim Bericht über Bali habe ich ja vom Hinduismus als einer sehr veräußerlichten Religion gesprochen. Wenn man sich Kirchen wie die Kathedrale von Cusco anschaut, wird klar, dass das auch auf die (alte) katholische Kirche zutrifft. In der Bibel heißt es dagegen: “Du sollst dir kein Bild machen …”.
Von der Kirche zu den kulinarischen Köstlichkeiten. Was isst man denn in der Andenstadt so? Pizza und Pasta, das ist klar. An den zahlreichen Fressständen, die am Rande des Festes aufgebaut sind, fallen uns am Spieß gebratene Tierchen mit zwei auffälligen Nagezähnen auf. Was wie Ratte aussieht, ist aber Meerschweinchen. Cuy heißen sie in Peru und stehen in vielen Restaurants Cuscos auf der Speisekarte. Schon seit Jahrhunderten dienen die kleinen Nager in Peru und Bolivien als Nahrung, und manche Braut bekommt ein paar Meerschweinchen als Aussteuer mit. Dieter spielt mit dem Gedanken, den Verzehr eines Meerschweinchens seinen kulinarischen Abenteuern hinzuzufügen. Am vorletzten Abend tut er es. In dem Restaurant hat man die Auswahl zwischen verschiedenen Zubereitungsarten. Dieter hofft, dass “Cuy gebraten” das Tier nicht als Ganzes auf den Teller bringt, im Gegensatz zu “Cuy am Spieß gegrillt”. Diese Hoffnung trügt, und so bekommt er ein anatomisch gut erkennbares Tierchen mit Kopf, Nagezähnen und den vier Füßen auf den Tisch. Ob das appetitlich aussieht? Eher nicht. Das irgendwie panierte Meerschweinchen erweist sich als ledrige Speise, die sich nur schwer schneiden lässt. Zwischen den vielen Knochen lässt sich nur wenig Fleisch herauspulen, das nach altem Kaninchen schmeckt. Und ist es böse, ein niedliches Meerschweinchen zu essen? Ja, liebe kleine und große Kinder, das ist böse. So böse wie Spaghetti Bolognese.
Ob Meerschweinchen auch schon zu Lebzeiten der Bewohner von Machu Piccho auf dem Speisezettel stand? Die geheimnisvolle Inca-Stadt ist Ziel unseres zweitägigen Ausflugs von Cusco aus.